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Der Mensch ist das Maß aller Dinge.”

Pat­ha­go­ras

Wer umstruk­tu­riert, soll­te nicht mit dem unge­zü­gel­ten Enthu­si­as­mus sei­ner Mit­ar­bei­ter und Mana­ger rechnen.

So haben Füh­rungs­kräf­te, die hier­ar­chi­sche Struk­tu­ren gewohnt sind, teil­wei­se gro­ße Pro­ble­me, sich mit der ver­än­der­ten Bedeu­tung von Hier­ar­chie bei Pro­jekt­ar­beit zurecht­zu­fin­den. Pro­jekt­ar­beit ist aber zwin­gend not­wen­dig, um den schnel­len Ände­run­gen einer kom­ple­xen Umwelt gerecht zu wer­den. Eine, hier­ar­chie­zen­trier­te Ein­stel­lung der Mana­ger paßt nicht zur zeit­ge­mä­ßen, pro­jekt­be­zo­ge­nen Orga­ni­sa­ti­on. Oder man stel­le sich vor, ein Mit­ar­bei­ter, der als Exper­te aner­kannt ist, und dar­aus sei­nen Sta­tus bezieht, soll das Wis­sen plötz­lich teilen.…

Wohl­ge­merkt: Was den Wan­del behin­dert ist nicht man­geln­des tech­ni­sches Ver­ständ­nis oder Wis­sen der Mana­ger. Es ist ihre Ein­stel­lung. Beach­ten Sie die­se psy­cho­lo­gi­sche Kom­po­nen­te bei Ihrem Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment nicht oder nicht genü­gend, machen Sie sich selbst das Leben schwer. Dabei ist der Wider­stand, den Sie latent oder offen von Ihren Mana­gern und Mit­ar­bei­tern erwar­ten kön­nen, von der Ein­griffs­ebe­ne Ihres ange­streb­ten Wan­dels abhängig:

Die Ver­hal­tens­ebe­ne. Den gerings­ten Wider­stand kön­nen Sie erwar­ten, wenn Sie nur eine Ver­än­de­rung des Ver­hal­tens anstre­ben. Wenn bei­spiels­wei­se Außen­dienst­mit­ar­bei­ter ihre Ver­kaufs­fä­hig­kei­ten auch dem Innen­dienst gegen­über anwen­den sol­len. Beim Kun­den sind sie in der Lage, ein aus­ge­zeich­ne­tes Ver­käu­fer­ver­hal­ten zu zei­gen. Sol­len sie zum Bei­spiel aber im Rah­men von TQM mit der Kun­den­dienst­an­nah­me Bedin­gun­gen aus­han­deln, scheint es, als sei­en ihre Fähig­kei­ten wie weg­ge­wischt. Zwar wer­den sich eini­ge Ver­käu­fer auch hier zunächst gegen die ver­lang­te Ver­än­de­rung sper­ren, doch die­ser Wider­stand ist mit Geduld und etwas Füh­rungs­kom­pe­tenz durch­aus überwindbar.

Die Ebe­ne der Fähig­keit und Kom­pe­tenz. Ungleich schwie­ri­ger liegt die Situa­ti­on, wenn Sie von den Mit­ar­bei­tern erwar­ten, daß sie zusätz­li­che Fähig­kei­ten und Kom­pe­ten­zen erwer­ben sol­len. Bei­spiels­wei­se bei der Ein­füh­rung eines PPS-Sys­tems (Pro­duk­ti­ons­pla­nung und ‑steue­rung) müs­sen Mit­ar­bei­ter ler­nen, mit der EDV umzu­ge­hen. Hier ent­ste­hen häu­fig Ängs­te, ob das Neue bewäl­tigt wer­den kann: “Schaff ich das, in mei­nem Alter?” Die­se Ängs­te kön­nen zu uner­war­tet hohen Wider­stän­den füh­ren. Um sie zu über­win­den, braucht eine Füh­rungs­kraft sehr hohe Füh­rungs­kom­pe­tenz, ins­be­son­de­re auf der psy­cho­lo­gi­schen und emo­tio­na­len Seite.

Die Ebe­ne der Glau­bens­sät­ze. Gegen das Kon­zept der Grup­pen­ar­beit beim Lean Manage­ment ent­steht bei Füh­rungs­kräf­ten häu­fig Wider­stand, weil sie den fes­ten Glau­bens­satz haben, daß Arbeits­grup­pen mit hoher Eigen­ver­ant­wor­tung und Selbst­steue­rung nicht wirk­lich funk­tio­nie­ren kön­nen. Die Fol­ge: Sie grei­fen immer wie­der in das Grup­pen­ge­sche­hen ein und füh­ren auf die alte Art und Wei­se. Einen sol­chen Mana­ger “ändern” zu wol­len, ver­langt Coa­ching-Kom­pe­tenz. Denn der Mana­ger weiß tat­säch­lich nicht, was er da tut. Weil er sei­ne Glau­bens­sät­ze nicht mehr auf ihren Wahr­heits­ge­halt über­prüft. Des­halb hei­ßen sie so. Wenn Sie von einem Mit­ar­bei­ter oder Mana­ger ver­lan­gen, etwas zu tun, was gegen einen sei­ner Glau­bens­sät­ze ver­stößt, ist die Wahr­schein­lich­keit sehr hoch, daß es tat­säch­lich nicht funk­tio­nie­ren wird. Und dann wird der Betref­fen­de hoch erho­be­nen Haup­tes und in aller Unschuld auch noch behaup­ten: “Ich wuß­te gleich, daß das nicht funk­tio­niert.” Eben des­we­gen hat es nicht funk­tio­niert: self-ful­fil­ling prophecy.

Die Ebe­ne der Iden­ti­tät. Einen noch mas­si­ve­ren Ein­griff bedeu­ten Ver­än­de­rungs­pro­zes­se, bei denen die Betrof­fe­nen ihre beruf­li­che Iden­ti­tät inner­halb des Betrie­bes oder gar ihrem gesam­ten Umfeld neu defi­nie­ren müs­sen. Wenn zum Bei­spiel eine Bank von ihren Schal­ter­an­ge­stell­ten erwar­tet, daß sie auch aktiv die Leis­tun­gen der Bank ver­kau­fen, kann das für die Mit­ar­bei­ter zu einem ech­ten Iden­ti­täts­pro­blem wer­den. Frü­her waren sie Betreu­er und Bera­ter des Kun­den und jetzt sol­len sie ihm plötz­lich Leis­tun­gen “andre­hen”. Die­ses Pro­blem ist nicht allein durch Ver­kaufs­schu­lun­gen in den Griff zu bekom­men. Bei Iden­ti­täts­pro­ble­men ist der Wider­stand in der Regel am höchsten.

Die­se vier Ebe­nen las­sen sich natür­lich nicht immer strikt tren­nen. Den­noch ist es sinn­voll, wenn Sie vor ange­streb­ten Ver­än­de­run­gen her­aus­fin­den, auf wel­cher psy­cho­lo­gi­schen Ebe­ne Ihre Mit­ar­bei­ter und Mana­ger betrof­fen sein wer­den. Damit Sie von der Stär­ke des Wider­stands nicht über­rascht wer­den und recht­zei­tig in die rich­ti­ge Tool-Schub­la­de grei­fen kön­nen. Wie über­win­det man nun den Wider­stand der Mit­ar­bei­ter und Mana­ger? Reden Sie mit den Leu­ten, coa­chen Sie sie, gehen Sie auf Ihre Ängs­te ein. Lösen sol­che Tips zwi­schen­zeit­lich auch bei Ihnen Brech­reiz aus? Um Miß­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Sol­che Tips sind berech­tigt. Genau­so berech­tigt wie Peni­cil­lin. Nur: Wer kei­ne Ahnung davon hat, wie eine Infek­ti­on funk­tio­niert, dem hilft auch die dicks­te Peni­cil­lin-Sprit­ze nichts.

Wider­stand zu über­win­den heißt in ers­ter Linie, nicht am Wider­stand anzu­set­zen. Wer kei­nen Schnup­fen haben will soll­te nicht ver­su­chen, Schnup­fen zu ver­mei­den, son­dern gesund zu blei­ben. Das Gegen­teil von Wider­stand ist nicht Wider­stands­lo­sig­keit, son­dern die Bereit­schaft der Mit­ar­bei­ter, an den geplan­ten Ver­än­de­run­gen mit­zu­wir­ken. Die­se Aus­sa­ge hat zwar für die meis­ten Unter­neh­mens­kul­tu­ren hypo­the­ti­schen Cha­rak­ter. Aber ich will ein­mal davon aus­ge­hen, daß Sie zumin­dest ver­su­chen, etwas dar­an zu ändern. Wenn dem so ist, dann inter­es­sie­ren Sie sich für die Deter­mi­nan­ten der Bereit­schaft, an einem Pro­zeß mit­zu­wir­ken. Die­se Bereit­schaft ent­steht bei Mana­gern und Mit­ar­bei­tern dann, wenn für sie die Sum­me aus

- der Unzu­frie­den­heit U mit der momen­ta­nen Situation

- der Vor­stel­lung V, wie es bes­ser sein könn­te und

- dem Wis­sen W über ers­te Schrit­te der Veränderung

grö­ßer ist als die Sum­me der Kos­ten K der Ver­än­de­rung in der Rea­li­tät und in der Phan­ta­sie der Betroffenen:

U + V + W > K

veraenderungsformel400Wenn Sie die Ver­än­de­rungs­be­reit­schaft Ihrer Mana­ger und Mit­ar­bei­ter erhö­hen wol­len, wer­den Sie also zuerst prü­fen, wie stark die ein­zel­nen Fak­to­ren U, V, W und K aus­ge­prägt sind:

U – Unzu­frie­den­heit mit dem Sta­tus Quo. Ist ein Mit­ar­bei­ter mit der Situa­ti­on eigent­lich ganz zufrie­den, so zeigt er natür­lich wenig Bereit­schaft, dar­an irgend­et­was zu ver­än­dern. Übt man nun Druck auf ihn aus, so erhöht sich zwar sei­ne Unzu­frie­den­heit. Aber weni­ger mit der Situa­ti­on, als viel­mehr mit Ihnen und Ihrem Füh­rungs­stil. Gleich­wohl gibt es Situa­tio­nen, wo Druck hilf­reich sein kann – wenn Sie damit gezielt umge­hen kön­nen. So kön­nen Sie bei­spiels­wei­se “Druck machen”, indem Sie die Bedeut­sam­keit der Ver­än­de­rung für Sie her­aus­stel­len und auf­zei­gen, was aus Ihrer Sicht – mit dem Pro­duk­ti­ons­er­geb­nis, nicht mit dem Betrof­fe­nen! – pas­sie­ren wird, wenn es so wei­ter­läuft wie bis­her. Effek­ti­ver ist es jedoch, den Betrof­fe­nen intrin­sisch den Druck erhö­hen zu las­sen. Dazu kön­nen Sie ihn bei­spiels­wei­se fra­gen, was denn wohl geschieht, wenn es noch fünf Jah­re so wei­ter­läuft. Oder Sie las­sen ihn nach Mög­lich­kei­ten suchen, die Unzu­frie­den­heit zu erhö­hen, indem Sie ihn fra­gen, was denn noch gesche­hen muß, damit er etwas verändert.

V – gemein­sam geteil­te Visi­on. Unzu­frie­den­heit allei­ne läßt min­des­tens zwei Wege offen, damit umzu­ge­hen. Ent­we­der Resi­gna­ti­on – es läßt sich halt nichts ändern – oder Auf­bruch zu neu­en Ufern. Wenn Sie Ihre Mit­ar­bei­ter und Mana­ger zum Auf­bruch bewe­gen möch­ten, müs­sen Sie ihnen die neu­en Ufer zei­gen. Auf PE-Deutsch heißt das: Visi­on. Jemand, dem es in Ham­burg nicht mehr gefällt, wird nicht los­se­geln, bevor er weiß, ob es ihm da, wo er hin will, bes­ser gefällt. Häu­fig wer­den Sie jedoch bei Ihren Visi­ons-Gesprä­chen erle­ben, daß Mit­ar­bei­ter und Mana­ger sagen, sie wis­sen nur, es sol­le anders sein – sie haben jedoch kei­ne Vor­stel­lung davon, wie die­ses Anders ist.

Das ist nor­mal. Wir sind schon so aEg (ans Elend gewöhnt), daß nur noch die Unzu­frie­den­heit bewußt ist – die Ursa­che dafür ist im Unter­be­wußt­sein ver­schwun­den. Des­halb müs­sen Sie sie aus­gra­ben. Wer ein Pro­blem hat, hat auch die Lösung dazu. Er weiß es nur noch nicht. Ohne eine Vor­stel­lung von einer bes­se­ren Situa­ti­on hät­te nie­mand ein Pro­blem mit der aktu­el­len Lage. Wege, die­se Vor­stel­lung wach­zu­ru­fen, kön­nen zum Bei­spiel Fra­gen sein wie: “Wor­an mer­ken Sie, daß Sie Ihr Pro­blem bewäl­tigt haben?” “Ange­nom­men, heu­te nacht pas­siert ein Wun­der, was wäre dann mor­gen wie anders?”

W – Wis­sen über ers­te durch­führ­ba­re Schrit­te zur Ver­än­de­rung. Ist dem Mit­ar­bei­ter oder Mana­ger unklar, wie er oder Sie ans Ziel gelan­gen, wird er auch kei­nen Schritt gehen. In die­sem Fall müs­sen Sie zumin­dest ers­te Schrit­te erar­bei­ten. Ganz wich­tig ist, die­se Schrit­te gemein­sam zu erar­bei­ten, um Pas­si­vi­tät vor­zu­beu­gen. Gemein­sam heißt nicht: Sie müs­sen machen, was der Mit­ar­bei­ter will. Gemein­sam heißt: Jeder muß mit­re­den kön­nen, sonst gibt es kei­nen Deal. Hilf­rei­che Fra­gen sind (Umkehr­tech­nik): Wie kann ich es schlim­mer machen? Wie kann ich den augen­blick­li­chen Zustand sys­te­ma­tisch erzeu­gen? Die Ideen über den Weg in die Kri­se set­zen auto­ma­tisch Ideen frei über den Weg aus der Kri­se her­aus. Weit­he­rin hilf­reich ist es, Zwi­schen­zie­le zu for­mu­lie­ren und Metho­den zu entwickeln.

K – Gesamt­kos­ten der Ver­än­de­rung. Manch­mal liegt man­geln­de Moti­va­ti­on zur Ver­än­de­rung auch an zu hoch ein­ge­schätz­ten psy­cho­lo­gi­schen Kos­ten der Ver­än­de­rung. Hier ist es wich­tig, gemein­sam mit den Betei­lig­ten hin­zu­schau­en, wel­che Kos­ten real ein­tre­ten und wel­che nur in Befürch­tun­gen und Ängs­ten. Bei den rea­len Kos­ten kann es not­wen­dig sein zu hin­ter­fra­gen, unter wel­chen Bedin­gun­gen der Betrof­fe­ne denn bereit ist, den Ver­än­de­rungs­pro­zeß zu unterstützen.

Das alles wis­sen Sie und Ihre Füh­rungs­kräf­te mehr oder weni­ger. Und trotz­dem klappt es nicht so, wie es sollte/​müßte. Was nur wie­der beweist: Nicht das Kogni­ti­ve ist der Eng­paß. Daß Ver­än­de­run­gen psy­cho­lo­gisch unter­be­treut sind, liegt nicht an unse­rem man­geln­den Wis­sen, son­dern an unse­rer man­geln­den Umset­zung – aber das ist wie­der ein ande­res Thema.